Kommentar zur Fehlrestaurierung
So vielfarbig wie auf den untenstehenden Fotos
aus Beselich sahen die Arenberger Terrakotten vor der Fehlrestaurierung
2015/2016 aus.
Die nachfolgenden Fotos hat Wilfried Mohr in den 1980er Jahren in Beselich bei Weilburg/Lahn
aufgenommen.
|
|
|
|
|
|
Der nachfolgende Beitrag wurde mir von einem Arenberger Bürger anonym zugesandt.
KW
So
vielfarbig wie auf den obenstehenden Fotos aus Beselich, sahen
die Arenberger Terrakotten nach aller Wahrscheinlichkeit einst aus.
Seit 1983 kümmert sich ein Förderverein um die Pfarrer Kraus
Anlagen, die zum Teil in einem schlechten Zustand sind. Der Verein
hat eine Restauratorin besonders mit der Restaurierung der „Sieben
Schmerzen Mariens“ im Mariengarten beauftragt. Die Restauratorin
hat nun eine Befunduntersuchung aller im Mariengarten,
dem Kernteil der gesamten Landschaftsbilderbibel der Pfarrer Kraus
Anlagen bestehend aus 60 Kapellen, Grotten und Reliefs vorgenommen
und dabei die Theorie aufgestellt, dass die zum Teil noch sichtbare
farbige Fassung der Reliefs nur eine letzte Übermalung, nicht aber
die ursprüngliche Farbgebung sei. Ursprünglich seien die Terrakotten
monochrom weiß gewesen, nur mit Goldsäumen bemalt. Wie der Dissertation
von Dr. Silvia Maria Busch „Graltempelidee und Industrialisierung: St.
Nikolaus zu Arenberg“ (1984) und dem 2015 erschienenen bebilderten
Band von Arthur Fontaine („Die religiösen Terrakotta-Bildnisse aus
den Kunstanstalten des 19. Jahrhunderts“) zu entnehmen ist, waren
die religiösen Terrakotten im Regelfall farbig gehalten. Eine polychrome
Darstellung (Nazarener Farben) entspricht nicht nur dem Gesamtkonzept
der Pfarrer Kraus Anlagen, sondern korrespondiert auch mit den Ideen
des Landschafstarchitekten Peter Josef Lenné, der von Kaiserin Augusta
beauftragt war, die Anlagen gärtnerisch zu gestalten. Die spätere
Kaiserin hat in ihrer Koblenzer Zeit (1850-1858) Pfarrer Kraus und
die Gestaltung der Anlagen sehr unterstützt, zum Ärger des
preussischen Hofes in Berlin.* Landschaftsbilderbibeln wurden im
19. Jahrhundert allgemein für ein gläubiges und wenig gebildetes
Publikum als katholische Wallfahrtsstätten gegen die aufkeimende
Industrialisierung geschaffen und wurden absichtlich als frühe Formen
des Ereignisparks gestaltet. Der abwertende Stempel "Kitsch“
stammt aus späteren Zeiten. Die Idealisierung des Monochromen entspringt
der Tradition einer falschen puristischen Ästhetik von „edler Einfalt
und stiller Größe“, die Johann Joachim Winckelmann in seinem Buch
„Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei
und Bildhauerkunst" im 18. Jarhhundert mit der Vorstellung begründet
hat, die griechische Architektur und Plastik sei zumeist weiß gewesen.
Es lässt sich allerdings inzwischen belegen, dass die klassische
griechische Architektur farbig war. Bunt ist Kitsch. Unter diesem
Aspekt einer puristischen Ästhetik und Ideologie wird auch die aktuelle
Restaurierung der Pfarrer Kraus Anlagen (2015/16) ins Monochrome
zurechtgebogen, indem man fälschlicherweise auf eine zu Vorarbeiten
gehörende Grundierung der Terrakotten zurückgeht und nicht auf den
beabsichtigten Endzustand. Damit wird durch die Restaurierung nicht
der Originalzustand der Pfarrer Kraus Anlagen wiederhergestellt,
sondern eine dem Geist der Zeit und des Initiators widersprechende
Fassung der Terrakotten. Das betrifft im übrigen auch das Kaiserin Augusta Denkmal in
den Koblenzer Rheinanlagen, das ebenso fälschlicherweise in Reinweiß
übertüncht worden ist. Es ist außerdem historisch erwiesen, dass
die Landschaftsbilderbibel im Ort Beselich bei Weilburg das Arenberger
Ensemble als Vorbild genommen hat. Hier sind alle Figuren bunt bemalt
in einer symbolischen Farbensprache, die uns im Detail verloren
gegangen ist. So ist in Beselich zum Beispiel der Mantel Mariens
blau.
* Die preußisch-protestantische Prinzessin unterstützte im Umfeld von Bismarcks Kulturkampf gegen die Katholiken den Bau eines Wallfahrtsorts in Arenberg durch Pfarrer Kraus und die Anerkennung der Arbeit katholischer Wohlfahrtsvereine und Krankenhäuser. Bismarck vermerkte bissig über ihre offene Haltung gegenüber Katholiken: " Der […] fremdartige Katholicismus hatte etwas Anziehendes für eine Fürstin, welche überhaupt das Fremde mehr interessierte als das Näherliegende, Alltägliche, Hausbackne. Ein katholischer Bischof erschien vornehmer als ein General-Superintendent. Ein gewisses Wohlwollen für die katholische Sache, welches ihr schon früher eigen und z. B. in der Wahl ihrer männlichen Umgebung und Dienerschaft erkennbar war, wurde durch ihren Aufenthalt in Coblenz vollends entwickelt.“
Anmerkungen
zu den Terrakotten im Mariengarten.
Die
Restauratorin hatte den Auftrag, die Farben im Mariengarten festzustellen.
Die
Farbanalyse der Restauratorin ist richtig. Allerdings ist ihre Schlussfolgerung
falsch. Die Restauratorin behauptet, die erste Farbschicht sei die ursprüngliche,
die anderen Farbschichten seien zu einem späteren Zeitpunkt aufgetragen worden.
Dafür bleibt die Gutachterin uns jeden Beweis schuldig.
Vielmehr halte ich folgende Arbeitsweise für wesentlich wahrscheinlicher:
Die von der
Firma Imhof und Scherf in Köln hergestellten Terrakotten sind mit sehr niedriger
Temperatur
gebrannt und somit stark hygroskopisch. Dies hat zur Folge, dass bei Frosteinwirkung
die Terrakotta nach dem Auftauen in ihre Bestandteile zerfällt.
Nach dem Brennprozess wurden die Terrakotten werksseitig
rundum mit einer
Grundierung versehen.
Lt. Arthur Fontaine in seinem Buch "Die religiösen
Terrakotta-Bildnisse aus den Kunstanstalten des 19.Jahrhunderts" sind bei der Firma Imhof und Scherf sechs verschiedene
Auslieferungsarten erwähnt. In der in Arenberg vorliegenden Form wurde eine weiße Rundumgrundierung
vorgenommen, mit Goldverzierung versehen. Diese mag wohl, wie z. B. ein Geschenkpäckchen
zu Weihnachten, zur Ehrenbezeugung an die große Kaiserin appliziert worden sein. Kaiserin
Augusta
verfügte über erhebliche Geldmittel und hat wohl das gesamte Figurenprogramm
sowie die Terrakotten in Kirche und Anlagen den Arenbergern gestiftet.
Die rechtsseitige Bahnstrecke Köln - Koblenz - Wiesbaden war gerade fertiggestellt
und die Terrakotten wurden bahnlagernd zum Güterbahnhof Ehrenbreitstein geliefert.
Die Terrakotten im Mariengarten bedurften eines ganz besonderen Witterungsschutzes,
weil sie dort unmittelbar Frost, Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt waren.
Die unterste
Wetterschutzschicht war weiß mit Goldsaum. Darauf folgte eine Wetterschutzfarbschicht,
welche einen Farbton dunkler als die darunterliegende weiße
Grundierung war. Als dritte Schicht folgte eine rein weiße Schutzschicht, die
zugleich die daraufliegende vielfältige Colorierung (Endfassung) zum Leuchten bringen
sollte.
Nach
dem Durchtrocknen der beiden Schichten wurde die Endfassung aufgebracht. Nun wurden die Terrakotten durch
Maurermeister Johannes Müller in ihren endgültigen
Standort eingemauert.
Als
Kunstmaler
kommen Ittenbach, Deger und Peter Molitor (berühmte führende Vetreter der Düsseldorfer
Malerschule; letzterer hat bekanntlich die Arenberger Kirche ausgemalt) in
Frage, die alle in Arenberg waren.
Nur mit der Erstbemalung hätten die Terrakottabildnisse 150 Jahre mit Sicherheit
nicht überlebt. Durch Kapillar- und Mikrorissbildung hätte sich die Terrakotta
mit der Zeit voll Wasser gesogen und der nächste Frost hätte ihr Schicksal
endgültig besiegelt. Die drei Grundierungen und die farbige Endfassung
ist das, was wir zurzeit (2016) noch im Mariengarten seit nunmehr 150 Jahren sehen
können.
Mit der nunmehr fast beendeten Restaurierung wird die Landschaftsbilderbibel
ihrer ursprünglichen Aussagekraft beraubt und stattdessen weiß und braun getüncht.
Die "Restauratorin" zeigt uns (2018/2019) nach Beendigung ihrer Bemühungen die ursprüngliche Grundierung, so wie die Terrakotten angeliefert wurden.
In letzter Zeit erreichen mich viele empörte Anrufe und es beklagen sich Koblenzer
Bürger zum Einen über die Fehlrestaurierung in den Anlagen und zum Anderen über
das schlimme Erscheinungsbild der Pieta in der Gnadenkapelle.
Es ist keine Schande, etwas nicht zu wissen. Zum Problem wird dies aber,
wenn man nicht auf das Wissen von Fachleuten zurückgreift.
Frau Dr. Silvia Maria
Busch von der Gathen antwortete mir in einem Telefonat im Mai 2016 auf
meine Frage, ob es möglich sei, dass die ursprüngliche Fassung weiß mit Goldsaum
gewesen sein könnte, ganz spontan: "Ausgeschlossen! --- Unsinn, Schwachsinn,
Blödsinn".
Treffender kann man den Sachverhalt nicht ausdrücken.
Dr. Silvia Maria
Busch hat in den frühen 1980er Jahren eine Dissertation (Graltempelidee
und Industrialisierung) über den Arenberg veröffentlicht und mit meiner
Schwester und mir die Unterschutzstellung beim Denkmalamt in Koblenz beantragt.
Konrad Weber im Juni 2016
überarbeitet am 18.08.2019