Johann Müller - meisterhafter Kunsthandwerker in den "heiligen Orten" von Arenberg
Elfriede Böhm und Konrad Weber, erstellt im April 2016

Wenn etwas Neues, Großes geschaffen wird, dann müssen immer mehrere günstige Faktoren zusammen kommen. Es genügt nicht, eine gute Idee zu haben, sondern es müssen auch gute handwerkliche Voraussetzungen vorhanden sein, mit anderen Worten: Das Umfeld muss stimmen. Als Johann Baptist Kraus in den 1840er Jahren mit der Konzipierung und Erbauung der Anlagen begann, mussten zunächst geeignete Bauhandwerker gefunden oder ausgebildet werden. Johann Müller war für den Pfarrer ein Glücksfall.
Nirgends findet man in den Anlagen Mörtelfugen, der Baukörper erscheint wie aus einer anderen Welt. Das machte die große Faszination Arenbergs für die fremden Pilger aus.
In der Folge werden hier einige Beispiele der u. a. Müller'schen Arbeiten gezeigt. Mit einfachsten bauhandwerklichen Mitteln wurden hier wahre Kunstwerke geschaffen.

Johann Müller, geb. 09.07.1828, war einer der begabtesten "Kunsthandwerker" der Arenberger Wallfahrtsanlagen unter Pfarrer Kraus. In seinen umfangreichen Beschreibungen der heiligen Orte von Arenberg hat Pfarrer Kraus durchaus ein wenig stolz auf die Kunstfertigkeit "seiner" Bauarbeiter hingewiesen. Ab der Ausgabe von 1881 findet sich in den Beschreibungen der heiligen Orte folgender Passus von Johann Baptist Kraus:

"Gleichwie beim Tempelbau in Jerusalem, gab Gott den Werkführern die Kenntnisse zu diesem Baue: Maurer des Filialortes Immendorf setzten künstlich die Steinchen zusammen wie Bienen ihre Zellen und vollführten das Werk, ohne je solch' schwierige Arbeit gethan oder gesehen zu haben.
Meisterhände wagten sich nicht daran, denn sie erkannten, daß Gott seine Lehrlinge selbst gewählt, und diese zu Meistern hierin machte."
 

Pfarrer Kraus betont ausdrücklich, dass die meisten der komplizierten Mauerarbeiten in Kirche und Anlagen, "vor allem die feineren", von Maurergesellen aus seiner Gemeinde ausgeführt wurden und nennt sie auch mit Namen: Josef Sauer, Peter Wey sowie Peter und Johann Müller (aus: Clemens Theis "Oben am Berg").

Im Übrigen gab der rührige Pfarrer vielen Menschen seiner vormals sehr armen Gemeinde in den fast 50 Jahren andauernder Bauarbeiten für die Errichtung der vielen Grotten, Kapellen, Bildstöcke und vor allem der Pfarrkirche St. Nikolaus sowie der Gestaltung des gesamten Landschaftsgartens der Anlagen eine Möglichkeit, sich ein Zubrot zum sonst eher spärlichen Einkommen zu verdienen. Dies gilt für die Bauarbeiter ebenso wie für die Bauern und Fuhrleute der Gemeinden, die das Baumaterial von überall her heranfuhren; es gilt für die kleinen Handwerker ebenso wie für die Künstler der Region (Maler, Bildhauer, Glaskünstler ...). Und spätestens mit dem Einsetzen vermehrter Pilgerzüge gilt dies auch für das in Arenberg aufblühende Hotel- und Gastgewerbe, wo viele Menschen - direkt in Küche und Ausschank oder indirekt als Zulieferer von Lebensmitteln - ein Auskommen fanden.   

Beispiele für die filigrane und kunstvolle Gestaltung der einzelnen Bauwerke der Pfarrer-Kraus- Anlagen (hier das Deckengewölbe der 14. Kreuzwegstation nahe der Kirche) belegen, mit wieviel Geschick die Bauhandwerker, allen voran Johannes Müller, sich an die Ausführung der Arbeiten machten: Mit nahezu "unsichtbaren" Fugen fügten sie Steinchen an Steinchen, verbanden unterschiedliche Materialien zu kunstvollen Mosaiken und banden alle von Pfarrer Kraus mit hoher Symbolkraft ausgewählten Baustoffe in ihre Arbeit ein. Sie schufen damit eine dramatische Szenerie in diesem Falle für das Kreuzweg-Geschehen. Pfarrer Kraus selbst beschreibt die hier verwendeten Materialien wie folgt: "Die Wände des Häuschens sind im Innern mit schwarzen porigen Schlacken bedeckt und mit Friesen hellgrüner Schlacken umgeben; auch am Plafond sind solche schwarzen Steine, jedoch verziert mit weißen Muscheln. Die Rückwand ist aus Spritzschlacken gebildet, der Boden belegt mit verschiedenartigen Schlacken."  Foto: Konrad Weber 

Auch die Beichtstühle künden von der hohen Qualität der handwerklichen Arbeit. Hier verbindet sich ein Mosaik kleiner grauer Schlacken, umfasst mit einem Band von silbergrauen Quarzen. Die Türen sind mit braunen vulkanischen Schlacken umfasst und mit sehr kleinen weißen Steinchen um die Schriftfelder gefüllt. Schneckenhäuschen und Muscheln bilden den oberen Abschluss. Symbolisch stehen sie für das tröstende Meer der Gnade Jesu, die Quarze aus den Felsen für die von den Menschen anzustrebende Festigkeit im Glauben und die Vulkanschlacken für die Glut des Feuers, auf dass der Mensch durch die Beichte aus dem Feuer der Drangsal in die Glut der Liebe gelange (so Pfarrer Kraus) . Foto: Konrad Weber

Ein drittes Beispiel für die Kunstfertigkeit der "einfachen Maurer" bietet ein Blick in das ohne sichtbare Fugen gearbeitete Gewölbe der Himmelfahrtskapelle am Ölberg, ein "Tempelchen in schneeweißem Quarze mit Pfeilern aus silbergrauen Bergkrystallen" (Kraus). Ein besonderes Augenmerk verdient die Decke, bei der es die Maurer fertig brachten, mit den völlig unregelmäßig geformten Steinchen ein vollkommen geometrisch akkurates Kreuzornament in das Gewölbe zu bringen, auf das der darunter stehende Engel mit der Hand weist als Zeichen der Himmelfahrt Christi. Foto: Konrad Weber


Auch die Kanzel mit ihrem Aufgang zeugt vom kunsthandwerklichen Geschick der Maurer unter der Anleitung des Pfarrers Kraus. Gut erkennbar auch die mit kleinen Steinen verkleidete Säule und die mit grünen Hochofenschlacken verkleideten Wände hinter der Kanzel. Grün gilt als Farbe der Hoffnung und die Schlacken aus den Hochöfen in (Bendorf) Sayn und Mülhofen symbolisieren für Kraus "den als nutzlos betrachteten Auswurf, der in dieser Kirche zum ausdauernden Schmuck und Edelstein wurde".

Noch so ein typisch Kraus'scher "Materialmix", diese Stelle an den Opferstöcken vor den Ausgängen. Schrifttafeln auf Marmor mit den unterschiedlichsten biblichen Zitaten zieren die Kirche an vielen Stellen. Hier ist die Besonderheit, dass der Pfarrer die Kirchgänger darauf hinweist, den Opferstock zur Unterhaltung der Kirche - je nach Vermögen - nicht "links liegen zu lassen".
Er unterstreicht diese Intention, indem er unterhalb  der  Muscheln an  den Konsekrationskreuzen einige stilisierte Vergissmeinnicht-Stengel aus bemaltem Metall anbringen lässt.

Auch in den Eingangsbereichen sind die wunderbaren Wandverkleidungen aus diversen Mineralien kunstvoll verlegt. Die einzelnen Flächen sind durch die Konturierung mit dunklen Vulkankrotzen verbunden. In den Eingängen, die durch die beiden Türme verlaufen, sind selbst die Deckengewölbe mit fugenlos verlegtem Steinmosaik verkleidet.

Unterhalb des gemalten Kreuzweges im Obergadenbereich des Mittelschiffes befindet sich ein sogenanntes "Ständeprogramm". Das heißt: An jeder Säule steht auf einem kleinen gemauerten und wolkenähnlich verkleideten Sockel ein heiliges Vorbild für die Gruppe von Menschen, die unterhalb dieser Stelle im Kirchenschiff ihren angestammten Platz hatte, streng getrennt nach Geschlecht, rechts die männlichen und links die weiblichen Vorbilder. Im Bild ist über den früheren Kinderbänken der Mädchen das hl. Kind Maria mit seinem Schutzengel zu sehen. 

Bei diesem Ausschnitt aus dem Bereich des Hochaltars lässt sich wunderbar die Fülle der verwendeten Materialien und Farben erkennen, die einen großen Teil der Faszination der Arenberger Wallfahrtskirche ausmacht. Die Vielfalt entspricht dem Motto des Pfarrers Kraus, dass sowohl die Gaben der Erde und des Meeres, als auch die Früchte menschlicher Arbeit den Eindruck eines "himmlischen Jerusalems" verfestigen sollten. Gerade an dieser Stelle ahnt man auch, was es heißt, so viele unterschiedliche Materialien so nahtlos und handwerklich perfekt in Einklang zu bringen.