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Das Schicksal des in Arenberg auf dem "Kissel" hingerichteten Anton Biller hat Marianne Schwickerath +1999 aus Koblenz-Ehrenbreitstein in ihrem 1982 erschienenen Buch: "Wo stand eigentlich die Philippsburg" S.132ff beschrieben. Für die freundliche Abdruckerlaubnis danke ich dem Görresverlag Koblenz und dem Sohn der Verfasserin Peter Schwickerath. Hier der entsprechende Auszug:

Eine Hinrichtung zur Zeit des Kurfürsten Franz Ludwig

Kurfürst Franz Ludwig war ein Mann, der für Recht und Ordnung in seinen zahlreichen Ländern sorgte. Er war oft auf Reisen oder residierte in seinem Bistum Breslau oder in Neiße, in Ehrenbreitstein und Trier hielt er sich nur wenige Wochen im Jahr auf. Trotzdem regelte er die Verwaltung des Kurstaates durch eine Reihe neuer Gesetze und Verordnungen. Im Frühjahr 1718 kam er das erste Mal in seine Residenz Ehrenbreitstein, erst ein Jahr später, im März 1719, fanden in Trier die Feiern für seine Inthronisation statt. Schon im Januar 1719 hatte er Gesetze zur Umgestaltung des Justizwesens erlassen, die "Präliminar-Justizverordnung" (vorläufige Justizverordnung), und richtete den Hofrat in Ehrenbreitstein als obersten Regierungsausschuß für das Erzstift Trier ein.  Durch die langen Jahre der Kriegsunruhen mit Frankreich im Obererzstift war das Land verarmt und die Bewohner entwurzelt, so daß sich auch im Niedererzstift viel Gesindel herumtrieb, das sich mit Raub und Diebstahl am Leben erhielt. Zum Schutz der eingesessenen Bevölkerung mußte gegen diese Leute mit strengen Strafen vorgegangen werden. Aus dieser
Sicht ist es zu verstehen, daß im Jahr 1721 ein gewisser Anton Biller aus der Augst wegen Diebstahl zum Tode verurteilt wurde. Eine solche Hinrichtung war eine teure Angelegenheit, obgleich der Verurteilte einen Teil der Prozedur selbst bezahlen mußte. Nach der Criminaltaxordnung von 1725 mußte der arme Sünder für die Folterung ersten Grades 1 Reichstaler 27 Albus, für die zweiten Grades 1 Reichstaler 36 Albus und für den höchsten Grad 2 Reichstaler bezahlen, das Heilen des Gefolterten kostete noch einmal 2 Reichstaler. Das Hängen oder Köpfen und Begraben kostete 4 Reichstaler. Dies waren die Gerichtskosten, welche der unglückliche Delinquent oder seine Erben bezahlen mußten. Den größten Teil der Kosten mußte die kurfürstliche Kammer tragen, für die Hinrichtung des Anton Biller sind sie genau angegeben. Es ist nicht berichtet, was ihm vorgeworfen wurde und was er gestanden hat, aber aus der Aufstellung der Gerichtskosten läßt sich das Verfahren in etwa nachvollziehen. Anton Biller wurde anscheinend mit seiner Frau in Niederlahnstein beim Diebstahl ertappt und gefangen. Die Frau wurde mit Ruten ,,ausgestrichen“ wofür sie 2 Reichstaler bezahlen mußte, aber anscheinend ließ man sie dann laufen, denn Biller  wurde allein mit dem Schiff nach  Ehrenbreitstein gebracht. Dafür bekamen  der Schiffsmann und die Gerichtsdiener, die ihn begleiteten,
Das Gefängnis im alten Gesellenhausturm 27 Albus. Seit dem 17. Jahrhundert, wahrscheinlich seit der Zeit Philipp Christoph von Soeterns, hatte Ehrenbreitstein, das vorher zum Gericht Niederberg gehört hatte, eine eigene Gerichtsbarkeit und so wurde die Verhandlung gegen Biller hier geführt. Die erste Nacht durfte er noch, gut bewacht, beim Gastwirt Vollmar im Gasthof „Zur goldenen Sonne“ (Hofstraße 271) verbringen, der Wirt berechnete sich für Kost und Logis 1 Gulden und 3 Albus. Am nächsten Tag wurde Biller dem Gericht vorgeführt, und weil er nicht direkt gestand, wurde er gefoltert. Die  Prozedur scheint länger gedauert zu haben, denn der Scharfrichter und seine beiden Knechte tranken dabei 5 Maß Wein für zusammen 20 Albus. Die Kommission, die der Tortur als Zeuge beiwohnte, bekam 4 Taler und der ebenfalls anwesende Gerichtsschreiber 1 Taler und 18 Albus. Als Biller gestanden hatte, wurde er in den alten Gefängnisturm, welcher das Untergeschoß des Pfarrhauses war, im Obertal gebracht. Über ihm wohnte der Pastor, ob er ihm geistlichen Beistand gegeben hat, ist nicht vermerkt. Anscheinend war Biller doch einige Zeit hier eingesperrt, bis das Urteil gefällt und der Galgen auf dem Kissel bei Arenberg aufgestellt war, den der Profoß (Ankläger und Vollstrecker des Urteils) rechnete sich für 18 Gänge nach dem Tal 2 Reichstaler und für zwei Tage Verpflegung 36 Albus. Beim Schlagen des Holzes für den Galgen mußten nach alten Brauch der Amtsverwalter, der Kellner, der Vogt und die Schöffen mit den Hand- werkern in den Wald reiten und im Namen ihrer Kurfürstlichen Durchlaucht den ersten Schlag in das Holz tun, dabei hatten sie einen Verzehr von 3 Talern und 18 Albus. Der Profoß mußte beim Aufbauen des Galgens dabei sein, für zwei Gänge auf den Kissel berechnete er sich 2 Taler. Noch je einen Taler verlangte er, um den armen Biller in Ketten zu schließen,
Das Schloß mußte erst vom Schlosser
Rumpelhard repariert werden, ehe man
den armen Sünder Biller hinter "Schloß
und Riegel" bringen konnte.

ihn wieder loszuschließen und ihn aus dem Gefängnis zur Hinrichtung zu bringen. Außerdem noch für "den narrischen Menschen", der dem Delinquenten bei der Folterung die Kleider ausgezogen hatte, 1 Taler. 1 Taler verlangte der Profoß, weil er zwei Tage während des Verhörs dabei sein mußte und je 27 Albus, um den Gefangenen zu visitieren (durchsuchen) und ihn aus dem Gefängnis zu lassen. So kamen 9 Taler und 36 Albus zusammen. Aber der Profoß hatte seine Rechnung ohne den Kurfürsten gemacht. Dieser setzte die Forderung kurzerhand auf 3 Taler und 36 Albus herab und drohte dem Profoß, ihn zu entlassen, wenn er noch einmal solche Forderungen stelle. Als der Galgen aufgestellt und eine neue Leiter vom Schreiner Geisler geliefert worden war, brachte man den armen Sünder nach Arenberg. Vorher war er von zwei Karmelitermönchen auf den Tod vorbereitet worden, sie hatten mehrere Tage beim Kellner Heimes gewohnt und dieser stellte ebenso Forderungen für Kost und Logis. Bei der Hinrichtung mußten wieder der Amtsverwalter, der Kellner und der Vogt dabei sein, welche sich nach Beendigung der Prozedur noch jeder zwei Maß Wein für zusammen 1 Taler und 26 Albus genehmigten.

Gemälde von Januarius Zick: Die Beichte des Anton Biller, ein Kapuzinerpater steht dem armen Sünder bei.

So kostete die Hinrichtung des armen Anton Biller die kurfürstliche Kammer 126 Reichstaler. Der Kurfürst, welcher sich gerade zu dieser Zeit im Jahr 1721 in Ehrenbreitstein aufhielt, soll sehr empört über die hohen Kosten gewesen sein. 1728 erließ er eine Verordnung, daß vor der Vollstreckung eines Todesurteils die Gerichtshöfe in Trier und  Koblenz unmittelbar an den Kurfürsten und in seiner Abwesenheit an die Regierung genauen Bericht über den Fall zu erstatten hätten und das Urteil erst nach Erhalt der Zustimmung zu vollstrecken
sei - anscheinend wollte er Kosten sparen.