Prof.
Dr. Dr. Friedrich Erxleben
- In Arenberg, am 29. Januar 1883 auf dem
Kissel im "Erxlebenshaus" geboren, ging hier zur Schule und danach
auf das damalige "Kaiserin Augusta Gymnasium" in Koblenz. Er studierte
Theologie und Philosophie in Trier, Wien, Heidelberg, Innsbruck und Rom
mit anschließender Promotion in beiden Fakultäten. Danach war er Priester
im Bistum Trier. Er war Wissenschaftler, Opernsänger, Schauspieler, Violinvirtuose,
Pfarrer und Widerstandskämpfer. Während der Nazidiktatur gehörte er dem
"Solf-Kreis" an; ein ganz ungewöhnlicher
und außerordentlich begabter Mensch. Friedrich Erxleben war mit Carl Zuckmayer, Theodor
Heuß, Albert Einstein und vielen Künstlern und Kulturschaffenden der Vor-
und Nachkriegszeit befreundet. Von den Nazis wurde er im KZ Ravensbrück
unter entwürdigenden Bedingungen eingekerkert und gefoltert.
Die lieblichen
Rieslingweine der Mosel nannte er in einem überlieferten Brief, wenige Tage
vor seinem Tod, an meinen Onkel Paul Weber "lebendige Gottesbeweise"
(Foto unten. Die Briefe befinden sich mittlerweile im Bestand des LHA
Koblenz Bestand 700,350 Nr. 3.) KW.
Ein großartiger Mensch, von den Arenberger und
Koblenzer Bürgern fast vergessen. Über sein Leben berichtet uns Carl
Zuckmayer in seinem Buch "Als wärs ein Stück von mir"
- Horen der Freundschaft -. Er hat Friedrich Erxleben damit ein literarisches
Denkmal gesetzt.
Hier ein kurzer Auszug aus dem Buch:
- ...Dort, im Hause Solf, lernte ich
den Dr. Ferdinand Mainzer kennen, einen bekannten Berliner Chirurgen, der
- nachdem eine Handverletzung ihn berufsuntauglich gemacht hatte - sich
ganz dem Studium der lateinischen und griechischen Literatur widmete: er
war an der Entdeckung der "Atticus-Briefe" des Cicero beteiligt
- die die Zeit Cäsars, den Gipfel und die Wende der "Goldenen Latinität",
historisch und menschlich neu erschlossen haben-‚ und er hat, außer vielen
Übersetzungen, ein aufsehenerregendes Buch über " Clodia", die
"Freundin bedeutender Männer", die vergötterte "Lesbia"
des Dichters Catull geschrieben, das ihm literarischen Ruhm einbrachte.
Mich verbanden mit ihm, übers Literarische hinaus, zoologische Interessen,
ich lernte bei ihm viel über Aquarienpflege und hatte meine Freude an seiner
großen Voliere, in der er alle einheimischen Singvögel in möglichst naturgemäßer
Umgebung hielt und züchtete. Und es war eine Lust zuzuhören, auch wenn man‘s
nicht ganz verstand, wie er sich mit seinem besten Freund, dem katholischen
Pfarrer Friedrich von Erxleben, in klassischem Latein oder Griechisch
unterhielt, als sei das die tägliche Umgangssprache zwischen Spree und Havel.
Diesen
Pfarrer Erxleben, dann unser lieber Freund "Petrus"
oder "Onkel Friedrich" für die Kinder, traf ich gleichfalls
bei einem jener Sonntagnachmittage im Hause Solf. Er trug keine Soutane,
auch nicht die kurze, sondern einen dunklen Rock und eine hochgeschlossene
Weste, aber man hätte ihm den katholischen Priester auch im Hemd oder in
der Badehose angesehen - nicht etwa durch eine zur Schau getragene Würde
oder einen Zug von Askese und Entsagung (den spürte man erst heraus, wenn
man ihn sehr gut kannte), sondern durch eine Art von immer lebendiger Gottesheiterkeit
- ich weiß dafür kein anderes Wort. Sie strahlte aus seinen tiefblauen Augen,
war um seinen redelustigen Mund und seine klare, ruhige Stirn, die rechts
und links von silbrigweißem Haar gerahmt war - der Scheitel war frühzeitig
kahl geworden. Er war damals wohl noch nicht fünfzig, aber er wirkte alters
- und zeitlos: einerseits wie das Bildnis eines alten und weisen Erzabtes,
andererseits wie ein Mann von jugendlichem Feuer. Ebenso gedoppelt, nicht
gespalten, waren Temperament und seine Lebensart. Nie habe ich einen Menschen
getroffen, in dem sich naive Frömmigkeit, echter, unbeirrbarer Kinderglaube,
so sehr mit hoher Intelligenz und geistiger Aufgeschlossenheit verbanden,
ohne daß man je einen Bruch oder Zwiespalt bei ihm empfand. Er stammte aus
Koblenz, seine Sprache hatte den singenden, moselländischen Tonfall; in
seiner Jugend war er Opernsänger gewesen, und er hatte als "Tristan" auf
der Bühne gestanden. Was ihn dann dazu bewogen hatte, der Kunst und der
Musik zu entsagen, die seine höchste Passion waren, und die Weihen zu nehmen,
war sein persönliches Geheimnis.
An diesem Nachmittag bei SoIf kam
er mit einem vollen Römer auf mich zu und sagte: "Also Sie haben den
"Fröhlichen Weinberg" geschrieben, gegen den hat man gepredigt.
Aber ich behaupte"- und dabei fiel er in seine Mundart - "soviel
Lebensfreude, dat is ‘n Daseinsbeweis Gottes! Dat is‘n frommes Stück!"-
So etwas hatte mir noch kein Theologe gesagt.
Früher hatte er in
Rom gelebt, als Professor für alte Sprachen im Jesuitenkolleg, jetzt bewohnte
er ein einstöckiges Häuschen im Norden Berlins, in einer friederizianischen
Siedlung, die einst für altgediente Offiziere des Preußenkönigs gebaut worden
war und in der es eine kleine katholische Kirche gab. Er versah keine Pfarrgemeinde,
sondern er lebte dort als Privatgelehrter und amtierte als Seelsorger für
die katholischen Angehörigen der Berliner Schutzpolizei. Dieses Amt brachte
ihn später in schwere Konflikte, in denen er sich mit großer Tapferkeit
bewährte: denn er hatte, nach 1933, in der ersten Zeit der Nazi-Tyrannei,
Zutritt zu den Polizeispitälern und Lazaretten, in denen man die von der
damals als "Hilfspolizei" eingestellten SA zusammengeschlagenen
und grauenvoll zugerichteten Opfer verwahrte. Das waren meistens Leute,
die man ohne Gerichtsverfahren oder legalen Haftbefehl nachts aus ihren
Betten geholt hatte. Viele hat er in dem Zustand gesehen, in dem sie nach
"Vernehmungen" eingeliefert wurden, vielen von ihnen hat er bei
ihrem qualvollen Sterben beigestanden, viele Polizisten der alten, anständigen
Beamtenschaft haben ihm ihr Herz ausgeschüttet.
Daß ein Mann, der
so viel wußte und noch dazu den Mund weder halten konnte noch wollte, auf
die Dauer nicht frei herumlaufen durfte und selbst zum Verurteilten wurde,
lag auf der Hand. Auch er hat die letzten Kriegsjahre im KZ Ravensbrück
durchlitten, und Frau Solf erzählte mir später, daß er jeden Morgen beim
"Wecken" mit lauter Stimme, die durch einen großen Teil des Lagers
gehört werden konnte, das "Gloria" sang, den brutalen Prügeleien und Quälereien trotzend, die er dafür täglich
auszuhalten hatte. Er überlebte die Lagerzeit, aber er war dann ein schwerkranker,
körperlich gebrochener Mann. In seiner seelischen Haltung, in seinem Glauben,
in seiner Welt - und Menschenliebe, in seiner Gottesheiterkeit blieb er
ungebrochen bis zu seinem Tod, ein Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch von
1945. Eine Zeitlang verwaltete er noch eine kleine Pfarrei in einem Moseldörfchen,
ich besuchte ihn dort manchmal gemeinsam mit dem Bundespräsidenten Theodor
Heuß, mit dem ihn eine warme Freundschaft verband. Dann zog er sich
in eine Alterswohnung bei Freunden am Rhein zurück. Ich verbrachte mit ihm,
ganz allein, die Silvesternacht 1954/55 in seinem stillen, freundlichen
Zimmer. Er kochte für uns beide, wir vertranken, verrauchten, verredeten
die Nacht. Irgendwann in den Abendstunden drehte er das Radio auf, es kam
ein leichter, beschwingter Mozart, von Bruno Walter dirigiert. "Nein",
sagte er nach einigen Minuten, "das macht mich zu traurig. Beim Mozart
muß ich immer an den Tod denken". Dann legte er das Klavierkonzert
in e-Moll von Chopin aufs Grammophon. "So‘n Berufsmelancholiker wie
der Chopin", sagte er, "der macht mich wieder lustig".
Acht
Tage später fand man ihn tot auf seinem Bettrand hokkend, die erloschene
Brasilzigarre war ihm aus dem Mund gefallen, sein alter Dachshund "Seppel"
schlief zu seinen Füßen. Mut, Leidensbereitschaft, Heiterkeit - das war
sein Vermächtnis...
Soweit sein Freund Carl Zuckmayer, der ihn auch
geadelt hat (von Erxleben), ich sehe keinen Grund daran etwas zu ändern.
Die auszugsweise Abdruckgenehmigung für Carl Zuckmayer aus:"Als wär's ein Stück
von mir" © Carl Zuckmayer 1966 alle Rechte vorbehalten S.Fischer Verlag
GmbH, Frankfurt am Main, wurde mir dankenswerterweise am 14.Oktober 2008 bis 2013, am
12.Februar 2013 bis 31.12.2017, am 28.Juli 2017 bis 31.12.2020 und am
11.01.2021 bis 31.12.2023 erteilt. KW
1)
Gloria in excelsis Deo..., Ehre sei Gott in der Höhe...; feierlicher gregorianischer
Messgesang aus der alten kath. Liturgie; der lateinische Messgesang wird
nach dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-65) nicht mehr verwendet.
Friedrich
Erxleben, am 8. August 1908 zum Priester geweiht, wird schon im folgenden
Monat Kaplan in Dillingen/Saar und danach Kaplan in Ehrang bei Trier.
Dort wird er beim Generalvikariat als "Modernist" denunziert-
die gerade begonnene Karriere war damit schon früh zu Ende. Bischof Korum
hatte keine Verwendung für einen "Modernisten". Er wurde nach
Linz/Rhein in ein Heim für geistig Behinderte "abgeschoben". Mehrmalige
Gesuche an den Bischof um eine Pfarrstelle, wurden mit der Begründung "es
sei keine Pfarrstelle frei", abgewiesen. Sein sehnlichster Wunsch war
es, Pfarrer in einer Gemeinde zu werden. Das gelang ihm erst nach dem Krieg,
im nunmehr demokratischen Deutschland im Jahr 1946 (nach 38 Jahren)
aber erst, nachdem die Anerkennung als "Verfolgter des Naziregimes"
erfolgt war. Der Bischof konnte sich nicht mehr ohne Gesichtsverlust verweigern
und so wurde er Pfarrer in Müden an der Mosel. "Cogito ergo sum"
hat er, in einem Brief, in "Doleo - ergo sum" (Ich leide, also
bin ich) umgedeutet. Die Nazis hatten seinen Körper geschunden und mit zunehmenden
Alter wird ihm die Pfarrstelle zur Last. Im Jahr 1951 geht es gar nicht
mehr und er bittet um die Versetzung in den Ruhestand. Sein Nachfolger in
Müden wird der in Arenberg unbeliebte Pfarrer Dr. Erhard Lèclerc, die Arenberger
hatten ihm einen Regenschirm in den Aufgang zum Pfarrhaus gestellt (was
seine Unerwünschtheit zum Ausdruck bingen sollte).
Mir drängt sich die Frage auf, wer im Fall Friedrich Erxleben mehr Schuld
auf sich geladen hat, die Nazis, oder die Trierer Bischöfe, angefangen mit Bischof
Korum zu Beginn des 20. - bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
Prof. Dr. Dr. Friedrich Erxleben wurde auf eigenen Wunsch nach seinem Tod in
Müden an der Mosel bei seinen Pfarrkindern begraben.
Folgende Anekdote verdient
noch der Erwähnung:
Als der damalige Bundespräsident Theodor Heuß und
der Schriftsteller Carl Zuckmayer 1949 den Freund in Müden an der Mosel besuchten, war das nur über
eine Fähre möglich. Der Fahrer der Staatskarosse stieg aus um das Fährgeld zu
bezahlen. Dabei fragte der Fährmann Anton Müller, genannt Dunn und liebevoll
von Friedrich Erxleben Toni genannt, in sattem moselfränkischen Dialekt:
"Wat setzt dann do fier en huet Dier in dem Audo?; auf
den Benz zeigend", der Fahrer antwortete, das ist der Herr Bundespräsident!
"Leck mich am Arsch, su en huet Dier han ich noch nie iwergesetzt",
so der verdutzte Fährmann. Das hörte auch Theodor Heuß, der später Friedrich
Erxleben diese schöne Geschichte erzählte.
Die Lebensdaten und die Anekdote stellte
mir freundlicherweise Frau Marlis Erxleben aus Koblenz zur Verfügung, der ich
auf diesem Wege meinen herzlichen Dank sage.KW.
Eine weitere Begebenheit
ist
die Einweihung der Fähre in Müden 1949.
Prof.
Dr. Dr. Friedrich Erxleben geboren am 29. Januar 1883 in Arenberg, gestorben
am 9. Februar 1955 in Linz/Rh. Oberlöh 27, hätte es verdient in Koblenz mit einem Straßennamen
geehrt zu werden, zumindest sollte eine Gedenktafel am Sterbebehaus und oder dem
inzwischen abgerissenen Elternhaus auf dem Kissel in Arenberg zu seiner Erinnerung
angebracht werden.
Geschichtslos, Würdelos, Verantwortungslos
In
der öffentlichen Versammlung des Ortsbeirates am 15. Nov. 2011 wurde über einen
neuen Straßennamen in Arenberg abgestimmt. Mein Vorschlag siehe oben, wurde
nicht einmal in Erwägung gezogen. Der Rat entschied sich für einen Flurnamen?
oder Wegebezeichnung, den Niemand kannte und auch die Schreibweise unbekannt
war. Mit der Nazivergangenheit will man hier offenbar nichts mehr zu tun haben.
Weitere Quellen und Hinweise:
Pfarrer Dr. Friedrich Erxleben „Mut, Leidensbereitchaft,
Heiterkeit - das war sein Vermächtnis“ in:
Rhein-Zeitung - Ausgabe
Koblenz - vom 23/24. Januar 1999
Joachim Hennig: Widerständiges Verhalten
aus christlichem Glauben - Friedrich Erxleben (1883 – 1955)
zum 50. Todestag,
in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 2004, S.509-541
Interessierte
Leser finden den Beitrag hier
Rudolf Bertgen: "Prof. Dr. Friedrich Erxleben. Gedenken zu seinem 60.
Todesjahr. Erinnerungen an den Widerstandskämpfer in der Zeit des Nationalsozialismus.
Erinnerungen an den Pfarrer in Müden. Sein Leben und Wirken" erschienen
2015
Joachim Hennig: Dokumentarfilm über das Leben Friedrich Erxlebens
Konrad
Weber im Oktober 2008
Update: 31.03.2019